Gründung des Vereins

Geschrieben von: 2. Vorstand

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Abschrift einer in deutscher Schrift von geistl. Rat Joh. Bapt. Dobmeier (Pfarrer in Ketterschwang von 1902 - 1946) handschriftlich verfassten Aufzeichnung. Das hand­schriftliche Original befindet sich bei den Akten des Veteranenvereins.

»Ad menioriam.o 1. VIII. 1905. Dobmeier« Gut Ding will Weile haben: Deshalb haben die Ketterschwanger erst 34 Jahre nach dem siegreichen deutsch - französischen Krieg ihren Veteranen- und Soldatenverein fertiggebracht. Man soll zwar schon früher einen Anlauf zur Vereinsgründung getan haben, allein die Liebe zur Sache fand nicht den gewünschten Beifall: vielleicht deswegen, weil man früher das Geld mehr schätzte als heute; man rechnete vielleicht aus, sobald so ein Verein existiert, dann kostet die selbstverständlich unerlässliche Vereinsfahne und die Fahnenweihe Geld, Geld kostet die Mitgliedschaft des Vereins, Geld kosten die ebenfalls unerlässlichen Vereinsfeier­lichkeiten. Die Zeiten haben sich geändert: die Einnahmen der Landwirte für verkaufte Milch, für verkauftes Vieh, für verkauftes Getreide sind in den letzten Jahren be­deutend gestiegen, so dass man auch in Ketterschwang modernen Anschauungen zugänglicher wurde.

An Veteranen von 1866 war zwar nur Xaver Kirchmaier, gewesener Schmied, und von 1870/71 waren nur Andreas Nieberle, gewesener Ökonom (auch 1866), Franz Nieberle, Ökonom und Anton Waggin, Schuhmacher, noch unter den in der Gemeinde Lebenden; dafür jedoch mehrten sich von Jahr zu Jahr die gedienten Militärs der schneidigen, jungen Garde; bislang waren die meisten den benachbarten Vereinen beigesellt, ein Umstand, welcher mit unserer die Bequemlichkeit und Selbständigkeit liebenden Zeit nicht mehr vereinbar ist.

Deshalb griff, wohl auf Anregung des derzeitigen Herrn Lehrers Joh. Herreiner v. h. der Schuhmacher Joh. Kreuzer und der Wirtsohn German Brem, auch der Bäcker­meister Adler die Angelegenheit einer Vereinsbildung wiederum, und zwar mit Energie auf. Dabei sollte ich den Sturmbock abgeben, um die etlichen Wider­spenstigen gefügig zu machen; allein ich lehnte dankend ab und schob den Herrn Lehrer als Redner bei der konstituierenden Versammlung vor; ich selbst blieb weg. Der Grund für meine konservative Gesinnung lag in seelsorgerlichen Motiven: es ist Ja immerhin die Möglichkeit vorhanden, dass sich der Verein irgendeinmal zu seinem und der Pfarrei Ungunsten ausgestaltet: wie aber sollte man dagegen auftreten können, wenn man bei der Vereinsbildung aktiv beteiligt war. Gegen die Vereinsbildung mit allen Mitteln anzukämpfen veranlasste mich jedoch die pastorale Klugheit deswegen nicht, weil ja der hiesige Verein nur durch den Austritt der Interessenten aus benach­barten Vereinen zustande kam, und weil nun einmal in aller Welt solche patriotischen Vereine anzutreffen sind.

Zweifelsohne, um mich zu ehren und etwas gutmütig zu stimmen, machte man mich ohne weiteres zum Ehrenvorstand; die gleiche Ehre wurde verdientermaßen dem Herrn Lehrer zuerkannt. Nachdem der Verein perfekt geworden war, leistete ich natürlich meinen Obolus zur Vereinsfahne: zudem übernahm ich die Schreiberei bei Bestellung dieser Fahne nebst ihrem Zubehör; ich bestellte, wie gewohnt, bei der Taubstummenanstalt Dillingen.

In der Mitgliederversammlung, welche wegen der Festlichkeilen bei der Fahnenweihe einberufen worden war, gestattete ich mir zu erscheinen und am Schlusse einen Vor­trag über die Fahnen-Frage in alkoholischer Hinsicht zu halten: ich wies auf meine bis­herigen Erfahrungen im Vereinsleben hin und führte ein gutes und ein unschönes Bild aus Allgäuer Vereinen meinen Zuhörern vor: die Predigt machte sichtbar einen tiefen Eindruck, einen so tiefen, dass man am Ende sogar den sonst sehr geübten Applaus vergaß.

VereinsfahneAm 23. Juli fand die Fahnenweihe statt, 8 Tage vor der Westendorfer: die Leute daher wollten vor dem »Schnitt« die Fahne unter Dach bringen, und ich war mit dem Termin einverstanden, das um so mehr, um den festsinnigen, opferwilligen Westendorfern ein Vorbild und den Ketterschwangern nur ein Nachbild der Westendorfer Feierlichkeiten zukommen zu lassen; dazu wurde so die Kettenschwanger Vereinsfahne um ein Band, ein Widmungsband, bereichert (infolge der Teilnahme am Westendorfer Fest). In der Woche vor dem 23. Juli regten sich im Dorfe allenthalben fleißige Hände: in der Kirche sollte am Chorbogen ein hängendes Seil aus Tannengrün und künstlichen Blumen angebracht werden; an den Wänden nahmen Fichtenstämmchen Aufstellung, die Eingangstüre schmückte sich mit einem Daasbogen. An der Pforte des Kirchhofes erhob sich ein Triumphbogen mit weißblauen Fähnchen und einer Inschrift: Wir Deutsche fürchten Gott und sonst niemand in der Welt, Auf der Gegenseite wurde den Vaterlandsfeinden nahegelegt, zuhause zu bleiben, falls sie nicht schießen und nicht laufen können. Ein zweiter Triumphbogen richtete sich auf an der Hauptstraße, bei Greiter, ein dritter hinter Wirts Stadel auf dem Wege gen Beckstetten: auch sie trugen patriotische, volkstümliche Inschriften. Im Wirtshof war eine grünumrankte Tribüne vorgesehen als Ruheplätzchen für die Vereinsfahnen während des Zechgelages ihrer Junker. Neben der Haustüre erhob sich die kranzumflochtene Rednerbühne, von wo aus zur Festversammlung gesprochen wurden, während der Souffleur von dem Fenster des Nebenzimmers aus seinen Beruf ausüben sollte. Natürlich war der Festsaal entsprechend dekoriert: des Landesvaters Bild, Gewehre und Kriegsembleme; auffallend war mir besonders das Anbringen eines antiquierten Bildnisses Ludwigs II.

Am Festmorgen machte der Himmel ein etwas trübes Gesicht; doch sobald die Böller erdröhnten, fing er an freundlich zu lächeln. Von 8 bis 9 Uhr hatte die Begrüßung (mit Musik) der von auswärts kommenden Vereine: des Patenvereins Beckstetten, der Veteranen- und Soldatenverein von Jengen, Ostendorf, Untergermaringen und Rieden stattgefunden. Um 9.30 Uhr mar­schierten die Festteilnehmer: Blechmusik von Ostendorf-Ketterschwang und Weicht (f. Beckstettener Verein), Schulju­gend mit Lehrer (letzt, in Frack und Zylinder), Abteilung Feuer­wehr, Vereine mit den 5 Festjungfrauen (diese in weißen Kleidern und »fliegenden« Haaren: Anna Adler, Fahnenträgerin, Agnes Roth, Prologsprecherin, Klara Greiter, Josepha Miller und Maria Waggin als Begleiterinnen und Deklamatrixen) an der Spitze zur Kirche. Im Chor nahmen die Fahnen von Ketterschwang und Beckstetten nebst Festjungfrauschaft und Begleitmannschaft Aufstellung, im Schiff an der Kommunionbank platzierten sich die übrigen Fah­nen, während die Männerwelt in den Stühlen auf der Epistelseite, unter und auf der Empore, desgleichen das Frauengeschlecht in den Stühlen der Evangelienseite ein Unterkommen fand; die Kir­che war gut, aber nicht übermäßig besetzt. Nach dem Asperges und der Wochen Verkündigung hielt ich vom Altäre aus die Weiherede (über Fahne (Symbole und Farben) und Weihe derselben); danach wurde die nunmehr enthüllte neue Vereinstanne mit bischöfl. facuttas benediziert; daran schloss sich die Feld-Messe (zugleich sonntäglicher Pfarrgottesdienst); den musikalischen Teil übernahm dabei die genannte Blechmusik Ostendorf-Ketterschwang, die Pausen füllte die Orgel aus.

Um 10.30 Uhr zog man zur weltlichen Feier: Rede des Patenver­einsvorstandes (Bürgermeister Schweiger), etc., nicht zu verges­sen der oratorischen Leistungen der Festjungfrauen, Anheben der Fahnenbänder etc., und Festessen. Von 13.30 Uhr bis 15.00 Uhr war offiziell eine Pause; allein zum Besuche des nachm. Got­tesdienstes wurde sie nicht benützt. Um 15.00 Uhr fand der feier­liche Umzug durch die Dorfstraßen an den wirklich großartig ge­zierten und beflaggten Häusern (der Pfarrhof konnte hinsichtlich des Schmuckes nicht den Vorrang behaupten) vorbei statt: Zu­gordnung und Spiel das gleiche wie am Vormittag (dabei muss ich noch erwähnen, bzw. nachtragen, dass die Jungfrauenschaft Ketterschwangs bekränzt sich zwischen Schuljugend und Männer­schaft einfügte).

Zum Festplatz zurückgekehrt, wurde die Festrede gehalten, vom Herrn Lehrer. Der Vorstand der Beckstettener ließ hierauf eine be­geisterte Ansprache über die deutsche Kriegsmacht, Heer und Flotte, vom Stapel; German Brem, Ausschussmitglied des hiesigen Vereins, sprach von Patriotismus und Vereinsdank. Selbst­verständlich klangen all die Reden dieser Redner auf ein Hoch aus; bei der folgenden geselligen Unterhaltung, wozu auch ich mich einfand, wurden noch der Toaste viel (ich war bloß eine Zeitlang Zuhörer) ausgebracht.

Außer den bemeldeten Festjungfrauen war das zarte Geschlecht dem Wirtshause fernegeblieben, wie man sagt, weit die Männer auf ihre besseren Hälften etc. ganz vergessen hatten in dem pa­triotischen Strudel und bei den Lösungsversuchen der Fahnen-Frage. Nachts um 22 Uhr war im Programme der offizieller Schluss vorgese­hen: ich glaube annehmen zu sollen, dass die Theorie zur Praxis wurde.

Soviel über Entstehung des Vereins Ketterschwangs und dessen Fahnenweihe.

Möge der Verein fruchtbar werden an guten Werken!